Bewegendes,  Text,  Wichtiges

Über Homosexualität schreiben.

Wie ich schon in meinem Artikel “Leidmedien? Berichte(n) über Behinderung”  geschrieben hatte, gibt es bei der Berichterstattung über Themen außerhalb der Spießernorm eine ganze Menge Fallstricke. Man sollte als Journalistin oder Journalist eine besondere Sensibilität entwickeln, um hier sprachlich stets objektiv, korrekt und wertschätzend zu bleiben.

Heute stieß ich nun auf einen Artikel des Onlinemagazins meedia.de, der sich mit der Berichterstattung über Homosexuellen-Themen befasst. Er verweist auf eine Broschüre, die jetzt vom Bund Lesbischer und Schwuler Journalisten (BLSJ) veröffentlicht wurde: “Schöner Schreiben über Schwule und Lesben” (Download hier, Pressemitteilung zum Sprachleitfaden hier).

Broschüre des BLSJ:

Ein Beispiel:
Warum sollte eine Frau “bekennend lesbisch sein”? Homosexualität ist kein Verbrechen nichts, dessen man sich schämen und das man deshalb öffentlich hervorheben müsste, sondern ein völlig natürlicher Zustand, also gibt es hier nichts zu “bekennen”. Klare Sache – sagt man nicht, schreibt man nicht.

Ein bisschen schwierig finde ich hingegen den Passus,

dass man bei verheirateten homosexuellen Paaren nicht von “verheiratet” und “Ehepaar”  sprechen soll, sondern besser von “verpartnert” und “Lebenspartner/in”. 

Zwar verstehe ich irgendwie den Einwand, dass die völlige Gleichstellung mit heterosexuellen Ehepaaren noch in weiter Ferne liegt und deshalb auch sprachlich keine Gleichstellung vorgespiegelt werden solle. Aber hey, findet Veränderung nicht zuerst im Kopf und ganz bald danach in der Sprache statt? Bei mir schon. Ich empfinde homosexuelle Paare als völlig gleichgestellt, auch wenn es schändlicherweise in der Praxis nicht ganz so ist. Sagen würde ich es dennoch. Selbst meine Kinder waren letztens baff, als im Radio über die “sensationelle” Änderung in Sachen Ehegattensplitting bei homosexuellen Lebenspartnerschaften berichtet wurde. Ob das vorher denn nicht so gewesen sei, hallo? Wie bescheuert das sei und wie ungerecht? Die seien eben verliebt und verheiratet – und wen habe das überhaupt zu interessieren, ob das nun Mann & Frau oder Mann & Mann oder Mann & Frau oder Frau & Frau oder Frau & Transgender oder Mann & Transgender oder irgendeiner davon & bisexuelle Person sind?

Da können wir uns also wieder mal eine Scheibe von der Generation nach uns abschneiden. <3

4 Comments

  • Harald Klein

    Sagt man, schreibt man.

    Sich zu etwas zu “bekennen” hat nichts, aber auch erst einmal gar nichts mit “Verbrechen” zu tun. Ein Verbrechen wird “gestanden”, ein “Geständnis” abgelegt.

    Ok, SünderInnen bekennen ihre Taten. Aber Kontext-bezogen eher im Beichtstuhl. Hier ist “bekennen” auch eher eine althergebrachte Form von “gestehen”.

    Tatsächlich dürfte das Verb “bekennen” heutzutage eher im Sinne von “kundtun, zu einer Sache voll und ganz zu stehen” benutzt werden. Und das hat nicht zwingender Weise etwas verbrecherisches an sich. “Ich bekenne mich zu unserer Liebe!” Nur so als Beispiel.

    Und nachfolgenden Generationen sei Kaiser Lothar I. ans Herz gelegt: “Omnia mutantur et nos mutamur in illis.”

    😉

  • textzicke

    Hi Harald,
    Du hast Recht. Ich habe den entsprechenden Satz nochmals abgeändert. Danke für den Hinweis! In einem Artikel über sprachliche Feinheiten sollte dann eben auch wirklich alles stimmen. 🙂

  • Diandra

    Ich könnte mir bezüglich “bekennend lesbisch” höchstens vorstellen, dass damit gemeint ist, dass die entsprechende Person sich öffentlich geoutet hat. Ich finde es zwar immer noch albern, dass man sich outen kann/muss – ich stell mich ja auch nicht hin und erkläre: “Ich bin übrigens hetero” – aber da es in der Gesellschaft leider immer noch eine Ungleichbehandlung je nach Orientierung gibt, ist es wahrscheinlich für die Beschreibung sozialer Interaktion resp. in entsprechenden Kontexten schon relevant, ob jemand noch “im Schrank” ist oder nicht.

  • Sonja

    @Diandra: Im Prinzip ja, aber wenn ich über eine Frau schon schreibe, dass sie lesbisch ist, dann ist sie wohl auch out. Sonst mache ich’s ja nicht!

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